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Offener Brief: Parität in der gesetzlichen Krankenversicherung ab 2019

Offener Brief: Parität in der gesetzlichen Krankenversicherung ab 2019

An Ursula Schulte und an Johannes Röring

Liebe Ulla, sehr geehrter Herr Röring,

derzeit bereitet die Bundesregierung ein Gesetz vor, das die Wiederherstellung der vollen paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung zum Ziel hat. Die Umsetzung dieses Vorhabens ist ein bedeutender Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit. Seit 2005 zahlen Beschäftigte sowie Rentnerinnen und Rentner einen höheren Beitragsanteil als die Arbeitgeber. Nachdem zunächst ein Sonderbeitrag der Versicherten in Höhe von 0,9 Prozent eingeführt wurde, gilt seit 2015 ein allgemeiner Beitragssatz in Höhe von 14,6 Prozent, paritätisch finanziert. Hinzu kommen kassenindividuelle Zusatzbeiträge ausschließlich für Versicherte. Der Arbeitgeberbeitrag wurde bei 7,3 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens festgeschrieben, während Beschäftigte sowie Rentnerinnen und Rentner die Mehrkosten des Gesundheitssystems allein zu finanzieren haben. Ihre Mehrbelastung beläuft sich inzwischen auf rund 145 Mrd. Euro (Bundestagsdrucksache 19/470, S. 42).

Die IG Metall hat den Bruch mit der paritätischen Finanzierung immer abgelehnt und die Rückkehr zur Parität gefordert.

Auch wir als IG Metall Bocholt haben seinerzeit über 3000 Unterschriften gesammelt und dir, Ulla, übergeben. Du hattest diese dann, wofür wir dankbar sind, an Sigmar Gabriel übergeben.

Es ist daher sehr zu begrüßen, dass die paritätische Finanzierung der Krankenversicherungsbeiträge im Koalitionsvertrag von Union und SPD und nunmehr auch im Entwurf eines „Gesetzes zur Beitragsentlastung der Versicherten in der Gesetzlichen Krankenversicherung“ steht. Das Prinzip der Parität zu rehabilitieren hieße auch, den ursprünglichen Sozialstaatskompromiss der gleichgewichtigen Teilhabe von Kapital und Arbeit an der Finanzierung der sozialen Ausgestaltung der Gesellschaft wiederherzustellen. Ein gesellschaftlicher Zusatznutzen, dessen Wert in Zeiten wachsender sozialer Verunsicherung und steigender Politikverdrossenheit nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Doch bedauerlicherweise verlangt die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, dass der Arbeitgeberanteil auf den hälftigen Zusatzbeitrag der günstigsten wählbaren Kasse festgelegt und zudem die Entgeltfortzahlung auf 6 Wochen pro Kalenderjahr begrenzt werden soll (Stellungnahme der BDA zum Gesetzentwurf). Diese Umsetzungsvariante hätte zur Folge, dass die Parität nur für einen sehr kleinen Teil der Versicherten gelten würde. Für die Mehrheit der Versicherten bliebe es bei der ungleichen und ungerechten Lastenverteilung zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten.

Die Entgeltfortzahlung bei Krankheit gegenzurechnen, ist in der Sache falsch; die Parität hat mit dem Anspruch der Beschäftigten auf Entgeltfortzahlung rein gar nichts zu tun. Und mehr noch: Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist eine der wichtigsten sozialen Leistungen und sorgt für eine wirksame Absicherung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Krankheitsfall. Durch das Entgeltfortzahlungsgesetz werden soziale Härten vermieden.

Bitte setzen Sie sich für die Wiederherstellung der vollen paritätischen Finanzierung der Krankenversicherungsbeiträge ein! Und bitte treten Sie allen Versuchen entgegen, die Entgeltfortzahlung und die Wiederherstellung der Parität gegeneinander aufzurechnen!

 

Mit freundlichen Grüßen

gez. Hans-Joachim Hebing

  1. Bevollmächtigter IGM Bocholt