Zu spät, zu lang, zu wenig – das Angebot der Arbeitgeber in den Tarifverhandlungen ist bislang enttäuschend. Um Mitternacht sind die Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie gestartet. Im Laufe des Dienstags werden Tausende Beschäftigte in rund 370 Betrieben die Arbeit niederlegen.
Heute um 0.01 Uhr hat die IG Metall bundesweite Warnstreiks in der Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie gestartet. Das Ziel: Die Arbeitgeber sollen sich endlich nennenswert in den Metall-Tarifverhandlungen 2024 bewegen.
„Die Beschäftigten geben ihren dauerhaften Preisdruck an der Kasse über Warnstreiks jetzt an die Arbeitgeber zurück: für eine schleunige Lösung mit Substanz“, warnt IG Metall-Tarifvorständin Nadine Boguslawski, die heute Nacht gemeinsam mit den Beschäftigten bei VW in Osnabrück um 0.01 Uhr die Warnstreiks eingeläutet hat.
In gut zwei Dutzend weiteren Betrieben ging es um Mitternacht mit Fackeln und Feuern los, etwa bei Clarios und ZF in Hannover, Bosch und KSM Castings in Hildesheim, bei Benteler in Paderborn (Foto oben), Gestamp in Bielefeld, bei Siemens und THK in Krefeld, bei Grohe und Kirchhoff-Witte in Iserlohn, bei ZF in Neunkirchen, bei Hörmann Automotive in Gustavsburg, Siemens Healthineers in Jena, KS HUAYU und Kolbenschmidt in Neckarsulm, Airbus in Hamburg, Pemium Aerotec in Augsburg oder BMW in Regensburg.
Die Belegschaften sind kampfbereit: Bereits zum Auftakt der Warnstreik am Dienstag legen Zehntausende Beschäftigte in rund 370 Betrieben die Arbeit nieder.
„170 sonst wird’s hitzig“
Zum Beginn der Warnstreiks fand am Dienstagvormittag ein bayernweiter Azubi-Warnstreik statt. In Ingolstadt kamen 5000 Auszubildende zusammen, um ihrer Forderung nach einer überproportionalen Erhöhung der Ausbildungsvergütungen um 170 Euro Nachdruck zu verleihen.
Wohnen, Essen, Sprit – mit der aktuellen Ausbildungsvergütung müssen Auszubildende jeden Cent dreimal umdrehen. „Ich weiß nicht, wie sich die Arbeitgeber das vorstellen. Gerade in Bayern sind die Lebensunterhaltskosten sehr teuer. Wenn man das mit unserem Gehalt vergleicht, reicht das nicht aus“, erzählt Peter Tschenet, Auszubildender bei der Siemens AG in Amberg. Er und seine Partnerin haben drei Jobs, um über die Runden zu kommen. Und trotzdem wird das Geld Ende des Monats oft knapp.
Vanessa Kiebel, Auszubildende bei der Siemens AG in Bamberg, musste deshalb wieder zurück zu ihren Eltern ziehen: „Anders war es einfach nicht mehr stemmbar.“ So gehe es vielen, berichtet die 31-Jährige „Deshalb ist es uns wichtig gewesen, heute bei der Aktion dabei gewesen zu sein und unsere Stimme zu erheben – wir sind schließlich auch die Zukunft von morgen.“
Die Arbeitgeber zeigen sich zwar bereit, über eine überpropotionale Erhöhung der Auszubildendenvergütungen zu reden. Eine konkrete Zahl wie die von der IG Metall geforderten 170 Euro haben die Arbeitgeber in den bisherigen Tarifverhandlungen jedoch nicht genannt. „Dass die Arbeitgeber nicht konkret gemacht haben, was sie den jungen Menschen anbieten, ist nicht in Ordnung. Da muss mehr kommen!“, macht Christiane Benner, Erste Vorsitzende der IG Metall, am Dienstag in Ingolstadt deutlich. „Mit höherer Vergütung für Azubis gewinnen wir mehr junge Fachkräfte für die Industrie. Wir brauchen Zukunft statt Zurückhaltung!“
Angebot der Arbeitgeber: zu spät, zu lang, zu wenig
1,7 Prozent mehr Geld, aber erst ab Juli 2025, weitere 1,9 Prozent ab Juli 2026 – für eine Laufzeit von 27 Monaten. Das ist das bisherige Angebot der Arbeitgeber in den Tarifverhandlungen. Aus Sicht der IG Metall: zu spät, zu lang, zu wenig.
„Das magere Angebot der Arbeitgeber verkennt den Ernst der Lage: Unsere 3,9 Millionen Kolleginnen und Kollegen in der Branche brauchen mehr Geld“, macht die Erste Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner klar. „Mit der zusätzlichen Kaufkraft stärken wir auch die Konjunktur. Mit Warnstreiks machen wir deutlich, dass es jetzt Bewegung nach vorn braucht: auch für die jungen Menschen! Wir machen keinen Abschluss ohne besondere Berücksichtigung der Jugend. Wir wollen Zukunft statt Zurückhaltung.“
Bei den seit Mitte September laufenden regionalen Tarifverhandlungen fordert die IG Metall 7 Prozent höhere Entgelte für Beschäftigte – für eine Laufzeit von 12 Monaten – sowie für die Auszubildenden einen überproportionalen „Attraktivitäts-Turbo“ von monatlich 170 Euro. Neben höheren Entgelten setzt sich die IG Metall bei den Verhandlungen auch für bessere Wahloptionen zwischen Zeit und Geld, eine soziale Komponente und eine „Demokratiezeit“ im Betrieb ein.
Verhandlungen gehen im Laufe des Dienstags weiter
Im Laufe des Dienstags ist die Wiederaufnahme der Tarifverhandlungen zwischen IG Metall und den regionalen Arbeitgeberverbänden geplant – zunächst in den Tarifgebieten Küste und Niedersachsen. In den nächsten Tagen werden weitere Tarifgebiete in die dritte Verhandlungsrunde einsteigen.
Links
Verhandlungen Metall-Tarifrunde 2024
Forderung zur Metall-Tarifrunde 2024
* Foto: Thomas Range