
Mit Warnstreiks erhöhen die Beschäftigten der Textil- und Bekleidungsindustrie West den Druck auf die Arbeitgeber. Sie fordern 6,5 Prozent mehr Geld, mindestens 200 Euro, eine Verbesserung der Altersteilzeit und Gespräche über einen Mitgliederbonus. Die Arbeitgeber machen ein Mager-Angebot.
Die Beschäftigten in der Textil- und Bekleidungsindustrie West haben in ihrer ersten Warnstreikwoche den Druck auf die Arbeitgeber erhöht. Trotz der Fastnachtstage haben sich hunderte Beschäftigte an Warnstreiks und Aktionen beteiligt. Denn das Mager-Angebot der Arbeitgeber aus der zweiten Verhandlungsrunde können und wollen sie nicht hinnehmen.
Nach dem Angebot der Arbeitgeber sollen die Beschäftigten ab Ende dieses Jahres lediglich 1,3 Prozent mehr Geld erhalten, ein Jahr später 1,7 Prozent. Allein für 2025 und 2026 rechnen die Wirtschaftsinstitute jedoch mit einer Inflationsrate von jeweils 2 Prozent. Das bedeutet: Das Angebot der Arbeitgeber würde zu einem Reallohn-Minus für die Beschäftigten führen und liegt weit entfernt von den Forderungen der Textilerinnen und Textiler.
Die IG Metall ist nicht erfreut über das Angebot der Arbeitgeber: „Unsere Kolleginnen und Kollegen sind finanziell und gesundheitlich äußerst belastet“, macht IG Metall-Verhandlungsführerin Miriam Bürger deutlich. „Dieses Mager-Angebot bringt uns nicht weiter. Wir fordern deutliche Nachbesserungen. Bis dahin werden die Kolleginnen und Kollegen mit Warnstreiks den Druck erhöhen – damit sich die Arbeitgeber endlich bewegen.“
Mitglieder sollen besonders entlastet werden
Die IG Metall ist mit einer Forderung von 6,5 Prozent, mindestens aber 200 Euro, in die Tarifrunde gestartet. Die Belastung für Kolleginnen und Kollegen in niedrigen Lohngruppen ist wegen der gestiegenen Preise besonders hoch, für sie soll der Mindestbetrag eine überdurchschnittlich hohe Entlastung bringen. Überhaupt steht das Wort „Entlastung“ im Zentrum der Tarifbewegung. Die Altersteilzeit soll mit dem neuen Tarifvertrag nicht nur erhalten, sondern die verfügbaren Plätze pro Unternehmen auch ausgeweitet werden. Auf diese Weise soll die ältere Belegschaft früher und somit mit weniger belastet in Rente gehen können.
Die IG Metall will außerdem Gespräche zu einem Mitgliederbonus führen. Die Mitglieder leisten durch ihre Mitgliedschaft nicht nur einen besonderen finanziellen Beitrag zur Tarifbindung, sie setzen sich auch aktiv für bessere Tarifverträge ein. Ein Mitgliederbonus soll diesen Einsatz belohnen und die IG Metall-Mitglieder entlasten.
Starker Reallohnverlust
Das magere Angebot, das wesentliche Bestandteile der Forderungen der IG Metall überhaupt nicht berücksichtigt, macht deutlich, wie weit Arbeitgeber und IG Metall noch von einem Abschluss entfernt sind.
Ein Blick in die Unternehmen zeigt eine heterogene Gemengelage. Während manche Unternehmen Kurzarbeit ankündigen, wird bei anderen über Erfolgsbeteiligungen diskutiert. Unabhängig davon brauchen die Beschäftigten jedoch dringend eine finanzielle Entlastung: Das zeigt auch die Entwicklung des Reallohns der vergangenen Jahre. Die Inflation hat die Reallöhne der Beschäftigten unter das Niveau von 2010 gedrückt – und das trotz guter prozentualer Erhöhungen aus der letzten Tarifrunde.
Intensive Warnstreikphase
Anfang März sind die Warnstreiks in der Tarifrunde der Textil- und Bekleidungsindustrie West gestartet. Bereits nach einer Woche haben sich zahlreiche Kolleginnen und Kollegen an Aktionen vor den Werkstoren beteiligt. Unmittelbar nach Ablauf der Friedenspflicht legte die Nachtschicht von Faurecia Autositze (Forvia) in Neuburg an der Donau und von Ideal in Ingolstadt vorübergehend die Arbeit nieder. Alleine bei diesen Aktionen beteiligten sich rund 180 Beschäftigte. Anfang der Woche folgten unter anderem rund 110 Beschäftigte der Firma Emsland Service in Emlichheim dem Aufruf der IG Metall die Arbeit niederzulegen.
Auch bei Anja Dieninghoffs Arbeitgeber, der Firma C & A Wölte in Emsdetten, stand am Mittwoch die Produktion still. „Mit allen Schichten sind wir geschlossen vors Tor“, erzählt die Betriebsratsvorsitzende. Was ihr und ihren Kolleginnen und Kollegen besonders wichtig ist: Die Erweiterung und Fortführung der Altersteilzeit. „Die Altersteilzeit war im Angebot der Arbeitgeber bisher kein Thema. Dabei handelt es sich hier um ein wichtiges Instrument, das denen hilft, die völlig erschöpft am Übergang zur Rente stehen“, macht Anja deutlich. „Aber auch die Prozente spielen bei mir und meinen Kolleginnen und Kollegen eine wichtige Rolle: Wer Fachkräfte beschäftigt, muss sie auch dementsprechend bezahlen.“
Die Warnstreiks werden in den nächsten Tagen weitergehen. „Wie lange der Konflikt dauert und ob es in der nächsten Verhandlung zu einem Ergebnis kommt, liegt alleine an den Arbeitgebern“, so Verhandlungsführerin Bürger. „Die Beschäftigten akzeptieren keine faulen Kompromisse. Das haben sie in den letzten Tagen deutlich gezeigt. Die Kolleginnen und Kollegen fordern ein verhandlungsfähiges Angebot. Sonst werden wir den Druck in der nächsten Warnstreikphase noch einmal spürbar steigern.“
Verhandlungen am Mittwoch
Zu der nächsten Verhandlung am 12. März in Ostbevern (NRW) werden Metallerinnen und Metaller vor dem Verhandlungslokal erwartet. Auch Anja Dieninghoff wird als Teil der Verhandlungskommission dabei sein. „Wir werden laut sein und den Arbeitgebern klar machen: Wir stehen hinter unserer Forderung. Wir brauchen mehr Einkommen, wir brauchen die Altersteilzeit und wir brauchen den Mitgliederbonus“, sagt die Betriebsratsvorsitzende.